Gemeinsame Stellungnahme zur künftigen Pflanzenschutzpolitik in der Europäischen Union

des Bundesverbandes des Großhandels mit Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln (BGDP), des Bundesverbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA), des Deutschen Bauernverbands (DBV), des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) und des Industrieverbands Agrar (IVA)

- im Weiteren: die Verbände -

 

zu folgenden Kommissionsvorschlägen:

A) Richtlinienentwurf über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (KOM (2006) 373 endg.)

B) Verordnungsentwurf über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (KOM (2006) 388 endg.)

 

A) ZUM RICHTLINIENENTWURF FÜR DEN NACHHALTIGEN EINSATZ VON PFLANZENSCHUTZMITTELN

Vorbemerkung

Die Verbände sehen den Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ebenso wie zahlreiche Vorschläge des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments äußerst kritisch.

Pflanzenschutzmittel werden ausschließlich aus Sicht möglicher Risiken für Umwelt und Gesundheit betrachtet. Ihr unverkennbarer Nutzen – auch für die Verbraucher – bleibt vollkommen außer Acht, ebenso wie die in vielen Jahren erzielten Fortschritte bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Die Gefahr der Überregulierung und übermäßigen Einschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ist offensichtlich, sollten sich die jetzt vorliegenden Vorschläge durchsetzen:

Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nach den Regeln der guten fachlichen Praxis ist eine wesentliche Grundlage dafür, Nahrungsmittel und nachwachsende Rohstoffe in ausreichender Menge und hervorragender Qualität produzieren zu können. In den vergangenen Jahrzehnten wurden durch Fortschritte in der Anwendungstechnik und innovative Pflanzenschutzmittel, das gestiegene Bewusstsein der Landwirte und die laufende Umsetzung der Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung weit reichende Erfolge erzielt. Sie haben die Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln minimiert.

1. Mengenreduktionsziele

Der Richtlinienentwurf der Kommission hat zum Ziel, die Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln weiter zu reduzieren. Er verzichtet aber auf quantitative Reduktionsziele. Dieser risikoorientierte Ansatz findet die Unterstützung der Verbände.

Im Gegensatz dazu fordert der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (EP), die Ausbringungsmengen um bis zu 50 Prozent zu reduzieren. Eine pauschale Mengenreduktion würde aber zu qualitativen und quantitativen Ernteverlusten führen und die Ausbildung von Resistenzen fördern. Ziel eines nachhaltigen Pflanzenschutzes kann daher nur sein, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu beschränken und ihren effektiven Einsatz zu fördern.

2. Abstandsregelungen und Informationspflichten

Bereits der Richtlinienentwurf fordert, Pufferzonen zu Gewässern einzurichten. Der Umweltausschuss des EP verlangt einen generellen Mindestabstand von zehn Metern. Der Pflanzenschutz in Natura-2000-Gebieten soll weit reichende Einschränkungen erfahren. Auf öffentlichen Flächen, zum Beispiel in Wohngebieten oder Parks und in deren unmittelbarer Umgebung, soll die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ganz verboten werden. Ferner möchte der Gesetzgeber im Rahmen der Pflanzenschutzzulassungsverordnung den Landwirten auferlegen, Nachbarn vor der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu informieren.

3. Abgaben bzw. Steuern auf Pflanzenschutzmittel

Der Umweltausschuss fordert, Steuern oder Abgaben auf Pflanzenschutzmittel einzuführen, um deren Anwendung zu reduzieren. Erfahrungen in einzelnen Mitgliedstaaten zeigen aber, dass die erhoffte Lenkungswirkung nicht eintritt, da der Grenznutzen beim Einsatz dieser Betriebsmittel die Abgaben oder Steuern in der Regel übersteigt. Steuern und Abgaben würden aber zu einer Erhöhung der Produktionskosten führen und dadurch europäische Agrarprodukte im internationalen Wettbewerb benachteiligen. Die Verbände lehnen daher die Einführung von Abgaben oder Steuern auf Pflanzenschutzmittel strikt ab.

4. Sensibilisierung der Öffentlichkeit

Die Richtlinie sieht vor, die Beteiligung und Information der Öffentlichkeit erheblich zu verstärken, zum Beispiel bei der Erstellung von Nationalen Aktionsprogrammen und durch so genannte Sensibilisierungsprogramme. Die Verbände stehen zu Transparenz. Sie befürchten jedoch, dass Sensibilisierungsprogramme nicht zu einer objektiven Verbraucheraufklärung beitragen, da ihr Schwerpunkt in der Information über mögliche Risiken des Pflanzenschutzmitteleinsatzes liegt. Notwendig ist aber, Verbraucher und Öffentlichkeit sowohl über mögliche Risiken als auch über Nutzen und Notwendigkeit des Pflanzenschutzes zu informieren.

5. Sprühen aus der Luft

Das Sprühen von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft soll nach dem Richtlinienentwurf deutlich eingeschränkt werden. Diese Forderung unterstützt der Umweltausschuss. Geplant sind strengere Bedingungen bis hin zu einem Verbot mit Ausnahmegenehmigung. Beim Weinbau auf Steillagen etwa ist es jedoch aus technischer und arbeitswirtschaftlicher Sicht sinnvoll und notwendig, Pflanzenschutzmittel aus der Luft auszubringen. Daher sollten aus Sicht der Verbände kein generelles Verbot des Sprühens aus der Luft festgeschrieben und zusätzliche administrative Belastungen für die Anwender verhindert werden. Ein Anzeige- bzw. Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzanwendungen aus der Luft reicht aus.

6. Fortbildung der Anwender von Pflanzenschutzmitteln

Die Verbände unterstützen die Forderung nach einer stetigen Information und Beratung der Landwirte. Bevor aber auf europäischer Ebene die Fortbildung der Anwender von Pflanzenschutzmitteln gefordert wird, sollte sichergestellt sein, dass alle Anwender über die notwendige Sachkunde im Pflanzenschutz verfügen. In Deutschland ist dies bereits mit der Berufsausbildung bzw. dem Sachkundelehrgang umgesetzt. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Weiter- bzw. Fortbildung lehnen die beteiligten Verbände ab. Schon aus Eigeninteresse nutzen die Landwirte Fachliteratur und nehmen Beratungsveranstaltungen und Weiterbildungsseminare wahr.

7. Gute fachliche Praxis und Integrierter Pflanzenschutz

Die gute fachliche Praxis ist Richtschnur und Grundlage des unternehmerischen Handelns in den landwirtschaftlichen Betrieben. Der Richtlinientext weist auch dem Integrierten Pflanzenschutz eine große Bedeutung zu.

Die Verbände setzen sich seit langem für den Integrierten Pflanzenschutz ein. Es widerspricht aber dessen Leitbild, Normen und deren verpflichtende Anwendung zu einem bestimmten Datum einzuführen. Integrierter Pflanzenschutz ist vielmehr ein fortlaufender Optimierungsprozess, der nicht statisch festgeschrieben werden kann.

 

B) ZUM VERORDNUNGSENTWURF ÜBER DAS INVERKEHRBRINGEN VON PFLANZENSCHUTZMITTELN

Vorbemerkung

Die Verbände begrüßen grundsätzlich den Vorschlag, da hiermit unter anderem das Ziel verfolgt wird, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union weiter zu harmonisieren. In folgenden Bereichen werden jedoch grundlegende Änderungen für erforderlich angesehen:

1. Zonale Zulassung

Der Kommissionsvorschlag sieht die Aufteilung der Europäischen Union in drei Zonen vor. Wird in einem Mitgliedstaat eine Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel erteilt, soll diese auf Antrag des Zulassungsinhabers automatisch von den anderen Staaten der Zone anerkannt werden.

Die Verbände begrüßen die zonale Zulassung als einen wichtigen Schritt in Richtung einer Harmonisierung der Pflanzenschutzmittelzulassung. Jedoch halten sie eine obligatorische Zulassung innerhalb einer Zone für dringend erforderlich. Ziel muss es sein, eine schnelle und breite Verfügbarkeit zugelassener Mittel in Europa ohne Zeitverzögerungen bei der Mittelzulassung zu erreichen.

Darüber hinaus sollte es aus Sicht der Verbände innerhalb einer Klimazone grundsätzlich keine verschärfenden Auflagen und Anwendungsbestimmungen seitens der anerkennenden Mitgliedstaaten geben.

Eine zonenübergreifende gegenseitige Anerkennung von Zulassungen ist im Entwurf nicht vorgesehen. Die Anbauregionen vieler Kulturpflanzen werden durch die drei vorgesehenen Zonen aber nur unzureichend abgedeckt. Der Weinbau auf beiden Seiten des Rheins ist hier beispielhaft anzuführen. Daher ist das Instrument der gegenseitigen Anerkennung weiterzuentwickeln und auch zonenübergreifend vorzusehen. Das erfordert der Grundsatz des freien Warenverkehrs.

2. Gefahrenbezogene Ausschlusskriterien auf Wirkstoffebene

Künftig sollen Wirkstoffe mit bestimmten Stoffeigenschaften, wie z.B. hormonellen Wirkungen, automatisch von der Zulassung ausgeschlossen werden. Die Einführung solcher Ausschlusskriterien bedeutet eine Abkehr vom bewährten Zulassungssystem. Dieses bewertet nicht die Stoffeigenschaften an sich, sondern das tatsächlich mit der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels verbundene Risiko.

Der Umwelt- und Gesundheitsschutz wird durch die Einführung von Ausschlusskriterien nicht verbessert. Es werden aber ohne Not bewährte Pflanzenschutzmittel aus dem Markt verschwinden, die in der Landwirtschaft sicher eingesetzt werden können. Nach ersten Schätzungen der Industrie wird dies mindestens 30 Prozent der Wirkstoffe betreffen. Die Verbände sprechen sich deshalb nachdrücklich gegen dieses Vorhaben aus.

3. Vergleichende Bewertung und Substitution

Bei der vergleichenden Bewertung mit Substitution auf der Ebene der behördlichen Zulassung soll nach der strengen Zulassungsprüfung eine zusätzliche Selektion der Produkte erfolgen. Ein Mittel, das bestimmte „unerwünschte“ Wirkstoffe enthält, muss dann „besseren“ Produkten mit vergleichbarer Wirkung weichen und bekommt seine Zulassung entzogen.

Das ist weder erforderlich, noch ist es angemessen: Jeder Wirkstoff verfügt über eine Vielzahl von Eigenschaften, die unterschiedlichste Anforderungen erfüllen. Die Entscheidung, welches Pflanzenschutzmittel am besten geeignet ist, muss der Anwender für sein ganz spezifisches Problem selbst treffen. Bei vergleichender Bewertung und Substitution würden zwangsläufig weitere bewährte Pflanzenschutzmittel verloren gehen. Ein effektives Resistenzmanagement vor allem in kleinen Kulturen wäre dann nicht mehr möglich.

Die Verbände sprechen sich deshalb gegen eine vergleichende Bewertung und Substitution auf Zulassungsebene aus.

4. Verwertungs- und Datenschutz (Transparenz)

Für die Prüfung der Eignung eines Wirkstoffes und des Pflanzenschutzmittels müssen Studien im Wert eines dreistelligen Millionenbetrages vorgelegt werden. Diese Investitionen können nur refinanziert werden, wenn die Ergebnisse zumindest über einen gewissen Zeitraum nicht für andere Antragsteller oder die Allgemeinheit zugänglich sind. Der Verordnungsentwurf sieht nun unter dem Stichwort Transparenz vor, dass die Unternehmen heute noch als geheimhaltungsbedürftig angesehene Unterlagen offen legen und ins Internet einstellen müssen. Die Verbände lehnen diese Regelung nachdrücklich ab, weil sie die Innovationskraft der Unternehmen erheblich schwächt und damit das Ziel der Verordnung konterkarieren würde.

Die grundsätzlich nach zehn Jahren erforderliche Re-Registrierung eines Pflanzenschutzmittels kostet mehrere Millionen Euro, wiederum hauptsächlich für die Erarbeitung neuer Studien. Künftig soll bei Re-Registrierungen jeglicher Verwertungsschutz des Antragstellers entfallen. Die Ergebnisse neuer Studien müssten sofort mit Wettbewerbern geteilt werden. Vorhersehbar ist, dass dann für zahlreiche Pflanzenschutzmittel keine Re-Registrierung mehr betrieben wird.

Die Verbände sprechen sich gegen diese Regelung aus, da insbesondere für die Behandlung von Kulturen, die nur auf kleiner Fläche angebaut werden, viele eingeführte Pflanzenschutzmittel ersatzlos verloren gehen würden.

5. Vorläufige nationale Zulassungen

Jeder neue Pflanzenschutzwirkstoff muss auf EU-Ebene geprüft und in die „EU-Positivliste“ aufgenommen werden. Dieser Prozess benötigt bisher im Durchschnitt 55 Monate, also fast fünf Jahre. Parallel dazu können Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff eine „vorläufige nationale Zulassung“ erhalten. Das Verfahren entspricht den strengen EU-Normen, dauert aber lediglich zwei Jahre. Landwirte können dadurch innovative Pflanzenschutzmittel frühzeitig anwenden, und die Industrie kann die Patentlaufzeit effizient nutzen.

Nach dem Verordnungsentwurf sollen die vorläufigen nationalen Zulassungen entfallen. Die Kommission will stattdessen neue Wirkstoffe innerhalb von 25 Monaten zulassen. Nach aller Erfahrung wird dieses Ziel nicht erreicht. Neue Pflanzenschutzmittel gelangen dann bis zu drei Jahre später als bisher in den Markt. Entsprechende Umsatzverluste wären absehbar. Innovationen mit Vorteilen für Landwirtschaft und Umwelt würden blockiert.

Die Verbände sprechen sich daher dafür aus, dass vorläufige nationale Zulassungen - zumindest für Fälle, in denen absehbar ist, dass die Kommission die von ihr gesetzten Fristen nicht einhalten kann - erhalten bleiben.

6. Importe

Will man das mit der Zulassung erreichte hohe Schutzniveau sicherstellen, ist zu gewährleisten, dass Importe von Pflanzenschutzmitteln aus Drittländern nur getätigt werden dürfen, wenn eine Zulassung vorliegt. Auch muss das Verbringen von einem Mitgliedstaat in einen anderen (Parallelimporte) einer obligatorischen „Importprüfungsregelung“ unterliegen. Nur so wird ein einheitliches Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt in allen Mitgliedstaaten sichergestellt. Als Grundlage könnten die in Deutschland geltenden Importregelungen dienen.

5. September 2007

 



 

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